„Hältst du mich wach, damit ich keinen Jetlag bekomme?“

Ich liege auf meiner kleinen Matratze im Gästezimmer auf dem Boden. Die vier Wochen auf den Philippinen sind fast rum und ich bin froh, bald wieder nach Hause zu kommen. Urlaub mit den Eltern ist doch etwas anstrengend. Vor allem, wenn man sich ein Zimmer teilt. Denn die Filipinos sind da nicht so. Die schlafen alle in einem Raum.

Die LED-Anzeige meines Handys blinkt und ich schaue, wer mir geschrieben hat. Hier ist es gerade mal 6 Uhr morgens und Zuhause in Deutschland ist es 23 Uhr. Die Zeit, in der viele vor dem schlafen gehen noch mal ihr Handy in die Hand nehmen und allen schreiben. So auch Mr. Massage. Er ist tatsächlich mal über seinen Schatten gesprungen und hält mich für so uncrazy, dass er mir seine Handynummer anvertraut hat. Daher schreiben wir. Fast täglich. Er schreibt, dass er es kaum noch abwarten kann, dass ich endlich wieder Zuhause bin, damit wir uns treffen können. Ich schreibe, dass es dann doch eh wieder Wochen dauern wird, bis wir uns tatsächlich sehen. War ja bisher immer so. Aber er verspricht anderes. Er will wissen, wann genau ich wieder da bin und ich schreibe, dass es Donnerstagnachmittag so weit ist. Ob er mich dann wach halten will, wenn ich nachmittags völlig übermüdet ankomme und nicht schlafen darf? Klar. Macht er. Als ob.

Die Koffer sind gepackt und meiner bringt gerade mal 20 kg auf die Waage. Alle wünschen mir einen guten Flug und als ich am Flughafen in Singapur bin, informiere ich Mr. Massage darüber, dass alles pünktlich ist. Ich schaue vier Filme im Flugzeug, schlafe sieben Stunden und drehe mich ängstlich nach den hustenden Menschen hinter mir um. Sehen asiatisch aus. Aber da komme ich ja auch gerade her. Der Kapitän gibt irgendwann das Zeichen, dass wir nun landen und ich versuche meine Füße in meine viel zu engen Sneaker zu quetschen und ermahne meine Eltern, dass wir uns gleich beeilen müssen, denn wir haben nur 20 Minuten bis zum nächsten Flieger.

Als wir dann in München aussteigen, steht auch schon ein Mitarbeiter der Airline bereit und scheucht uns innerhalb von 10 Minuten bis zum nächsten Gate, was extrem anstrengend ist. Zum Glück habe ich mich als Handgepäckstück für einen Rucksack entschieden. Nicht für einen kleinen Koffer und auch nicht für eine Tragetasche. Wir nehmen im Flugzeug Platz und starten wenig später. Aber erst muss das Flugzeug noch enteist werden. Hier sind es schließlich keine 32 Grad mehr, sondern minus vier. Dann heben wir ab und landen eine Stunde später im trüben Bremen. Leider sind unsere Koffer nicht so schnell gewesen wie wir, weswegen wir auf die nächste Maschine warten müssen, die zum Glück eine halbe Stunde später kommt

Wieder schreibe ich Mr. Massage, der gerade zur Arbeit fährt. Ich habe eigentlich noch drei Stunden, bis mein Zug geht, doch durch die Koffersache und das Trödeln meiner Eltern stehe ich sechs Minuten vor Abfahrt am Gleis und finden einen Platz neben einer Frau mit Hund, der es sich direkt auf meinem Schoß bequem macht.

Ich merke, wie ich immer müder werde und stelle mir meinen Wecker. Ich darf einschlafen, aber ich darf meine Haltestelle nicht verpassen und versuche mich mit Serien abzulenken. „Feierabend!“, schreibt Mr. Massage und wir machen aus, dass ich zu ihm fahre, was mir ganz recht ist. Mein Zimmer ist bestimmt kalt und unordentlich. Ich erreiche meine Haltestelle ohne einzuschlafen und treffe direkt auf meine Mitbewohnerin, der ich all meine Mitbringsel zeigen muss. Die Durian Candys, die Mangos, die Magneten, das Bananenbrot. Eine Stunde sitze ich mit ihr zusammen, bis mir Mr. Massage wieder einfällt. „Bist du eingeschlafen?“, fragt er besorgt nach und ärgert sich, dass er mich nicht erreichen kann. Tja … Karma und so. Ich gehe duschen, er gibt mir seine Adresse und zeichnet auf google maps ein, zu welchem Bussteig ich muss. Im Bus verdrücke ich noch ein paar Kekse, spiele Pokémon und frage ihn, ob er mich gleich abholen kommt. „Klaro“

Weil alle Welt gerade von der Arbeit wieder nach Hause will, ist es auf den Straßen voll und ich komme mit zehn Minuten Verspätung an. „Wo bist du?“, lese ich auf meinem Handy. Ja, echt scheiße, wenn man so kurz vorm Treffen so wenig Rückmeldung bekommt. Aber ich antworte ihm natürlich, dass ich gleich da bin.

Der Bus hält und ich sehe ihn schon vom Fenster aus, wie er auf einer Bank sitzt und auf mich wartet. Ich stoße mir das Knie als ich aussteige und er begrüßt mich mit einer festen Umarmung. „Hey Urlauberin!“, sagt er und wir laufen los. Wir haben uns seit dem Herbst nicht mehr gesehen. Es müsste Oktober oder September gewesen sein und irgendwie … irgendwie sieht er anders aus. Seine Haare sind länger. Zumindest die obere Partie, die nun so lang ist, dass sie sich locken. Er trägt eine komische Hose und läuft irgendwie … nicht sehr elegant. Ich bin bisher noch nie neben ihm gelaufen, daher ist mir das vorher noch nicht aufgefallen. Ich habe ihn irgendwie heißer in Erinnerung. Er fängt an zu reden, erzählt mir irgendwas, stellt mir Fragen und ist ganz aufgedreht. Ich nicht. Ich bin müde und kaputt. Wir kommen bei ihm an und seine Jacken- und Schuhsammlung ist erstaunlicher als meine. Man könnte meinen, dass mindestens fünf Menschen in der Wohnung leben und nicht nur einer.

Wir gehen in sein Wohnzimmer und er versucht Musik anzumachen, mit der ich einverstanden bin und bietet mir etwas zu trinken an. Wir sitzen auf seinem Sofa, plaudern, er legt den Arm um mich und ich frage ihn nach der Massage, die er mir versprochen hat. Er hat zwar angekündigt, dass die kurz ausfällt, weil er so geil auf mich ist, dass er sich bestimmt nicht zurückhalten kann, aber ich will sie trotzdem.

Also ziehe ich mich aus, er hilft mir, wir fangen an zu knutschen und er jammert, als ich seine Hände wegschiebe und noch einmal auf die Massage verweise. „Kann ich das nicht danach machen?“ Nö. Das geht nicht. Ich bekomme die Massage, die, wie angekündigt, recht kurz ausfällt, weil er seine Hände danach woanders hat. Aber das ist okay. Das kann er ja. Vor allem, wenn seine Zunge auch noch zum Einsatz kommt. Aber irgendwie … irgendwie hatte ich das alles besser in Erinnerung. Ich komme zwar, aber nicht so heftig wie letztes Mal.

Er kramt nach einem Gummi und dringt dann in mich ein. Er ist wild und stürmisch, was nicht unbedingt schlecht ist, doch dann hält er meine Fußknöchel fest, lässt sie wieder los, so dass ich meine Beine selber oben halten muss und dann passiert es. Ein Krampf. In meiner Wade. Verdammtes zum Gate rennen. Es tut weh. Er schreckt panisch auf. Ruft „willst du eine Magnesiumtablette?“ und dann ist es vorbei. Die Stimmung auch. Ich brauche eine Pause, das war alles ganz schön anstrengend. Er ist natürlich noch nicht fertig, lässt mich aber auf seiner Brust liegen, bis ich mich dann bei ihm revanchiere. Er hat ja schließlich schon ziemlich viel gemacht. Ich habe nur einen Krampf bekommen. Er kommt auch irgendwann, nachdem ich ihn ein bisschen geärgert habe, um das alles etwas zu verzögern und dann liegen wir wieder da. Mein Kopf auf seiner Brust, meine Beine um seine geschlungen.

„Ich liege gerne so, aber meistens schlafe ich dann ein. Und dann beschwerst du dich, dass ich dich nicht wach gehalten habe“, sagt er. Aber er schläft nicht ein. Sein Handy klingelt und neugierig schaut er aufs Display. Ich kann es ebenfalls sehen. Irgendwer von der Arbeit. Er geht ohne Vorwarnung dran. Okay … er bespricht mit irgendwem irgendwas. Er hat so eine richtig laute, tiefe Stimme, die fast schon in den Ohren weh tut. Zumindest, wenn man auf dieser Person drauf liegt und alles vibriert. „Entschuldige, das war wichtig und ich muss eben noch wen anderes anrufen. Sonst wissen wir morgen nicht, was wir zu tun haben.“ Okay. So lange er weiß, dass das eigentlich unhöflich ist und sich dafür entschuldigt, hab ich kein Problem damit. Wieder vibriert alles und ich bewundere seine laute, tiefe Stimme. Dann ist er fertig.

Wir liegen noch eine Weile so da und er erzählt mir Sachen. Von seiner Tante, von seiner Oma, von keine Ahnung was. Ich bin müde. Wirklich müde. Und ich habe Hunger. Das letzte richtige Essen hatte ich im Flugzeug. Danach gab es nur noch Kekse und Mangos.

„Hast du Hunger?“, fragt er mich, so als ob er meine Gedanken lesen könnte. Ich nicke. Er bietet mir Schokolade an, fragt, ob er was kochen soll oder ob ich was bestellen will. Doch er wohnt so weit draußen, dass es nur wenige Möglichkeiten gibt und ich habe nach 4 Wochen philippinischem Essen auch keine Lust auf Fast Food. Ich will irgendwas Frisches. Und einkaufen gehen.

Also lösen wir uns wieder voneinander und ich ziehe mich an. Er bringt mich noch zum Bus und ich hole mir anschließend ein Falafelsandwich, esse es hungrig im Bett, bevor ich dann neben dem Teller einschlafe. Immerhin habe ich bis abends durchgehalten und mein Jetlag fällt nicht allzu schlimm aus.

Und Mr Massage? Der scheint tatsächlich nicht so und hat mich wahrscheinlich wirklich nicht mit Absicht versetzt, sondern einfach nur vergessen, dass er neben WhatsApp auch noch einen anderen Messenger hat, der öfters mal nicht Bescheid gibt, dass da Nachrichten sind. Ist mir inzwischen auch schon passiert. Wenn ich ihm jetzt schreibe, antwortet er innerhalb einer Stunde, aber eigentlich muss das jetzt auch gar nicht mehr sein, denn ich will ihm eigentlich gar nicht mehr schreiben…

5 Gedanken zu “„Hältst du mich wach, damit ich keinen Jetlag bekomme?“

      1. Sorry, hatte ich bei einigen der letzten Posts so verstanden…Na wird sich schon was finden lassen 🙂

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